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WPF Mathematik

Warum sollte ich den Wahlpflichtkurs Mathematik wählen?

(Eine Überlegung in vier Teilen von Alexander Schulte für den Fachbereich Mathematik)

1. Was ist Mathematik?

Als mir die Aufgabe zuteilwurde, das Wahlpflichtfach Mathematik vorzustellen und zu bewerben, waren meine ersten Gedanken: „Nichts einfacher als das! Immerhin darf ich das unbestritten und mit Abstand schönste Fach aus unserem Wahlpflichtangebot anpreisen.“

Je mehr ich allerdings darüber nachdachte, wie ich die Begeisterung für Mathematik, die all unseren Lehrkräften dieses wunderbaren Fachbereichs innewohnt, in einem schnöden Text den geneigten Leserinnen und Lesern vermitteln soll, umso mehr wuchsen meine Zweifel über das Gelingen dieses Unterfangens. Wo soll ich anfangen? Wie weit muss ich gehen? Wie kann ich Jede und Jeden von der zweifelsohne vorhandenen Schönheit dieses Fach überzeugen? Worin genau manifestiert sich eigentlich die unglaubliche Faszination von Mathematik? Puh… Schwere Fragen für ein kompliziertes Unterfangen.

Wenn wir über das Wahlpflichtfach Mathematik und die Gründe dafür, dieses unbedingt zu wählen, sprechen, müssen wir uns zunächst eine ganz elementare Frage stellen: Was ist eigentlich Mathematik? Diese auf den ersten Blick ganz unschuldige, kleine Frage ist bei genauerem Hinsehen alles andere als schnell und einfach zu beantworten. Das Onlinelexikon Wikipedia bietet folgende Definition an: Die Mathematik ist eine Wissenschaft, welche aus der Untersuchung von geometrischen Figuren und dem Rechnen mit Zahlen entstand. Wir erfahren hier also lediglich, dass Mathematik eine Wissenschaft ist und wie ebendiese Wissenschaft entstanden ist. Ausdrücklich erfahren wir nicht, was Mathematik ist. Folgerichtig heißt es bei Wikipedia weiter: Für Mathematik gibt es keine allgemein anerkannte Definition […]. Die oben gestellte Frage bleibt leider weiter ungeklärt.

Werfen wir also einen Blick auf wissenschaftliche Annäherungen zu diesem Thema. Im Jahr 1941 erschien das Buch What Is Mathematics? der beiden Mathematiker Richard Courant und Herbert Robbins. In diesem sehr lesenswerten Werk geben die beiden Autoren einen umfangreichen Überblick über die wichtigsten Teilgebiete der Mathematik sowie über Anwendungen und Forschungsgebiete. Die Leserschaft bekommt einen so präzisen, wie unterhaltsamen Einblick in die Welt der Mathematik.  Leider bleibt die titelgebende Frage unbeantwortet. Diesen Umstand aufnehmend veröffentlichte der Anfang des Jahres verstorbene amerikanische Mathematiker Ruben Hersh im Jahr 1997 das Buch What Is Mathematics, Really? Auch dieses Werk besticht durch präzise Beschreibungen mathematischer Arbeitsweisen und Sachverhalte, gibt allerdings ebenfalls keine Antwort auf die, sicherlich augenzwinkernd ausgewählte, Titelfrage.

In Mathe war ich immer Deko.
(Spruch auf einem gut verkauften T-Shirt eines Online Händlers)

Mathe ist doof!
(Mathematik Student im 3. Semester)

Mathe ist alles. Und nichts.
(Schülerin aus dem 5. Schuljahr)

2. Wie wird Mathematik wahrgenommen?

Wir merken also, dass allein die Frage nach der Definition unserer geschätzten Disziplin auch für absolute Expertinnen und Experten nicht einfach zu beantworten ist. In der breiten Öffentlichkeit wird Mathematik oftmals mit Rechnen gleichgesetzt. Es fehlt häufig an konkreten Vorstellungen, was das Forschungs- und Arbeitsfeld insbesondere der angewandten Mathematik ausmacht. Ich darf dazu kurz eine eigene Erfahrung beschreiben. Während meines Studiums bat mich meine heutige Frau, ihr meinen Taschenrechner zu leihen. Ich erwiderte, dass ich keinen Taschenrechner besäße, worauf sie aus einer Mischung aus Verwunderung und Empörung fragte, wie das sein kann, ich würde schließlich Mathematik studieren. Diese kleine Begegnung ist mir bis heute im Kopf geblieben und zeigt mir, wie stark das Bild von Mathematik mit der Tätigkeit des Rechnens verbunden wird. Und auch, wenn wir zunächst noch keine Antwort darauf geben können, was Mathematik denn nun eigentlich ist, können wir mit Sicherheit sagen, dass Mathematik viel mehr ist als Rechnen.

Dass aber ein Mathematiker, aus dem Hexengewirre seiner Formeln heraus, zur Anschauung der Natur käme und Sinn und Verstand, unabhängig, wie ein gesunder Mensch brauche, werde ich wohl nicht erleben.

(Johann Wolfgang von Goethe an Carl Friedrich Zelter, 17. Mai 1829)

3. Was machen wir im Wahlpflichtkurs Mathematik?

Der Wahlpflichtkurs Mathematik baut auf die oben beschriebenen Erkenntnisse auf. Mathematik ist ein unglaublich vielfältiges Fachgebiet. Alle Schülerinnen und Schüler, die sich für dieses Angebot entscheiden, werden am Ende der beiden Schuljahre ein breites und vielschichtiges Bild von Mathematik erworben haben. Wir werden Themen anbieten, die abseits der Schulmathematik angesiedelt sind. Wir schauen uns an, wie Nullen und Einsen helfen können, Sudoku Rätsel zu lösen (Mathematische Programmierung) oder Verschlüsselungen maschinell lesbar zu machen (QR Codes). Auch das Finden kürzester Wege oder optimaler Routen bietet einen Einblick in ein in der Schule kaum behandeltes Teilgebiet der Mathematik. Die Graphentheorie ist allerdings im Gegensatz zur Schule in der angewandten Mathematik von hoher Bedeutung. Weitere Themengebiete, mit denen wir uns im Wahlpflichtkurs beschäftigen können, sind Kryptologie, Lineare und Ganzzahlige Optimierung, elementare Geometrie und verschiedene Zahl- und Zählsysteme. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann durch Ideen der Teilnehmenden erweitert oder ergänzt werden.

Die zu behandelnden Themen werden in der Regel in enger Absprache mit den Schülerinnen und Schülern ausgewählt. In der Vergangenheit beschäftigten wir uns beispielsweise schon mit der Geschichte der Geometrie oder dem Zusammenhang zwischen Philosophie und Mathematik. Dabei versuchten wir, die Frage zu beantworten, ob Mathematik gemacht oder entdeckt wird. Die geneigten Leserinnen und Leser seien hiermit selbst kurz aufgefordert, sich Gedanken über genau diese Frage zu machen. Haben wir Menschen die Mathematik erfunden oder existiert die Mathematik unabhängig von uns und wir legen nur nach und nach Stückchen davon frei?

Wie oben beschrieben, werden wir im Wahlpflichtkurs Mathematik ausschließlich Themen behandeln, die sonst im Mathematikunterricht keinen Platz finden. Ganz ausdrücklich betreiben wir keine Unterstützung des regulären Unterrichts und bieten keine Vorbereitung auf die Oberstufe an. Die Wahl eines Leistungskurses hängt in keiner Weise mit der Wahl dieses Wahlpflichtfaches zusammen. Inhaltlich sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht besser auf die Oberstufe vorbereitet als alle anderen.

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4. Wer sollte diesen Kurs besuchen und welche Voraussetzungen sind mitzubringen?

Unser gesamter Fachbereich ist der festen Überzeugung, dass das Wahlpflichtfach Mathematik ohne Ausnahme für jede Schülerin und jeden Schüler geeignet ist. Es hilft bestimmt, wenn man ein wenig Neugier und Begeisterungsfähigkeit mitbringt und offen ist für neue und unbekannte Sichtweisen und Sachverhalte. In der Regel findet der Unterricht in kleinen Kursen statt, sodass niemand Sorgen haben muss, nicht mitzukommen oder abgehängt zu werden. Wir werden authentische Mathematik kennenlernen und an vielen Stellen tief ins Thema einsteigen. Dies geschieht auf eine Art und Weise, die sicherstellt, dass alle Teilnehmenden mitgenommen werden.

Die Schülerinnen und Schüler dieses Kurses haben die einmalige Möglichkeit, ein Gefühl für die Vielfalt von Mathematik zu erhalten und einen Blick hinter die „Kulissen der Schulmathematik zu werfen“. Ich bin mir sehr sicher, dass ein Teil der Begeisterung für das Fach auf die Teilnehmenden übertragen werden kann. Auch wenn wir am Ende der zwei Jahre vielleicht immer noch nicht genau sagen können, was Mathematik nun eigentlich ist, können wir ganz sicher auf vielfältige Art und Weise beantworten, warum Jede und Jeder diesen Wahlpflichtkurs wählen sollte

Wenn ich die Wahl hätte: Ich würde Mathematik wählen!